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Erdbebensichere Häuser aus Sandsäcken

28. Mai bis 7. Juni 2015
Einsatzbericht von Björn Apostel und Germaid Ponge

In den 33 Tagen, in denen wir in Nepal sind, haben wir viele Aktionen mit Soforthilfe geleistet und an über 450 Familien Lebensmittel, Zeltplanen, Wasserreinigungsanlagen und Solarlichter abgegeben. Wir waren in verschiedenen Regionen tätig, in Nuwakot, Sindhupalchock und in der unmittelbaren Umgebung von Kathmandu. In Devighat (in der Region Nuwakot) haben wir ein Grossprojekt initiiert und rund 100 Häuser, sowie eine Schule gebaut, deren Fertigstellung wir noch dokumentieren werden.  Nun wollen wir noch einen Schritt weiter gehen. Auch wenn wir weiterhin so viele Familien wie möglich mit Wellblech ausstatten möchten, damit sie sich eine Schutzhütte aus Bambus und Wellblech während der Monsunzeit bauen können, können die Menschen nicht auf Dauer in solchen Wellblechhütten leben. Nach dem Monsun brauchen die Familien wieder neue, gute Häuser. Und das allerwichtigste dabei ist, sie müssen erdbebensicher gebaut werden!

Wellblechhütte

Die Tradition der Nepalis, besonders auf dem Land ist es, Häuser aus Lehm, Stroh und Steinen zu bauen. Doch die traditionelle Bauweise ist nicht sicher genug, das haben die unzähligen Schäden gezeigt. Mit dem Wissen des 21. Jahrhunderts besitzen wir Techniken, um stabile, erdbebensichere Häuser zu bauen. Wir haben uns daher in den letzten Tagen intensiv mit der Bautechnik von Sandsackhäusern beschäftigt. Es ist ein sehr simples und günstiges Prinzip, mit dem auf einfachste Weise ein sicheres Haus gebaut werden kann. Im Wesentlichen besteht es darin, Reissäcke zu recyceln und mit Erde zu füllen. Die Säcke werden einfach übereinander gestapelt und mit zwischen den Reihen liegendem Draht fixiert. Am Ende verputzt man die Säcke mit Lehm und setzt ein Wellblechdach oder ein Strohdach auf die Konstruktion.

Grundaufbau für eine Wellblechhütte

Ein simples und günstiges Prinzip, auf einfachste Weise ein erdbebensicheres Haus zu bauen

Die Idee der Sandsackhäuser stammt von Dr. Owen Geiger. Mit seiner Methode wurden in anderen erdbebengefährdeten Ländern bereits viele solcher Häuser gebaut. Wir möchten diese geniale Idee auch in Nepal zur Anwendung bringen. Deshalb sind wir seit drei Tagen dabei, ein solches Haus zu bauen. Es haben sich bereits Gruppen gebildet, welche in der Umgebung von Kathmandu solche Häuser bauen wollen. Am Samstag und Sonntag halfen wir bei einem Hausbau in Taudaha mit, welches zur Zeit auf dem Grundstück der Kevin Rohan Memorial Eco Foundation in Kathmandu entsteht. Inmitten des Permakulturhofes haben wir Säcke zunächst mit Kies gefüllt und, damit ein Fundament erstellt, die Säcke zusammengebunden und festgeklopft.

Germaid Ponge beim Grundaufbau

Seit heute arbeiten wir auf einer zweiten Baustelle in Thaukel. Hier entsteht ein Haus mit zwei grossen Räumen für eine 4-köpfige Familie. Ein Zementfundament wurde bereits gelegt, genauso die Eckpfeiler für das Dach. Das ist die sicherste Variante eines Sandsackhauses. Zusammen mit zwei jungen Architekturstudenten und den Waisenkinder aus einem umliegenden Kinderheim haben wir angefangen, eines dieser erdbebensicheren Häusern zu bauen. Wieder wurde Kies herangeschleppt, Säcke gefüllt, zusammengenäht und in die richtige Form gebracht. Das Team ist super motiviert und die Arbeit macht viel Spass. Morgen erwarten wir weitere Helfer, denn wir wollen das Haus unbedingt in den nächsten 2 Tagen fertig stellen.

Grundbauten für die Hütten

Auf der Baustelle haben wir einen Helfer kennengelernt, der ein regional bekannter Musiker ist. Er hat nach dem ersten Beben einen Song geschrieben, in welchem er die Bürger Nepals dazu aufruft, in die Dörfer zu gehen und beim Wiederaufbau zu helfen. 20 Tage lang hat er diesen Song vor einem Tempel in Kathmandu gespielt und dabei 4‘000 Euro für die Opfer eingenommen. Als er erfuhr, dass Germaid eine in Deutschland bekannte Sängerin ist, hat er sie gebeten, den Song mit ihm zusammen für Radio und Fernsehen zu produzieren. Nun sind sie ins Studio gefahren, um das Lied gemeinsam einzuspielen.

Germaid Ponge beim produzieren eines Songs

Am Nachmittag hat uns ein Ingenieur vom Development Project Service Center besucht. Er war beeindruckt von unserer Arbeit und sieht in den Häusern aus Sandsäcken eine perfekte Alternative für den Wiederaufbau Nepals. In einem ersten Schritt werden die Nepalis von der Regierung eine Summe von 200‘000 Rupies (= 1‘840 CHF) pro zerstörtes Haus bekommen. Das ist für ein konventionelles Haus viel zu wenig, aber mit unserer Bauweise könnte man damit problemlos ein erdbebensicheres Haus bauen. Am Montag wird eine Delegation des Development Project Service Center vorbeikommen, um sich die Vorgehensweise bei der Erstellung von Häusern mit Erdsäcken anzusehen. Am Montagabend werden wir nochmals nach Nuwakot fahren, um die fertiggestellte Schule und die Häuser zu besichtigen und zu dokumentieren.

Weiteraufbau der Häuschen

Hochmotiviert, doch hundemüde kehren wir nach einem anstrengenden Tag in unsere Zelte zurück. Ein prachtvoller Vollmond ist unser Nachtlicht. Wir sind dankbar, dass die Arbeiten an unseren Sandsackhäusern so gut vorankommen und freuen uns bereits auf den morgigen Tag.

2.-7. Juni 2015 - Fertigstellung des zweiten erdbebensicheren 'Earth-Bag-House' in Thaukel

Die Zeit fliegt. Nun arbeiten wir schon seit einer Woche auf der Baustelle in Taukhel an dem erdbebensicheren Sandsackhaus. Es macht unfassbar viel Spass, so dass Muskelkater, aufgekratzte Hände und schmerzende Gelenke in den Hintergrund rücken.

Björn Apostel beim Grundbaufbau

Wir haben einen von zwei gleichgrossen Räumen, nun fast komplett fertig gestellt. Der zweite Raum benötigt noch 3-4 Tage zur Fertigstellung. Mittlerweile haben wir einen sehr guten Überblick darüber, wie man so ein erdbebensicheres Sandsackhaus erstellt. An sich sind Sandsäcke, bzw. Erdsäcke, die wir hier benutzen, schon sehr stabil. Es gibt aber einige Tricks, mit denen so ein Haus noch stabiler wird. Die Erdsäcke sollten immer übergelappt aufeinander liegen und kräftig gestampft werden, wenn sie aufeinander liegen. Zwischen jede Schicht haben wir Stacheldraht gelegt. Dieser Draht greift mit den Spitzen in die Säcke und hält zwei Schichten stark zusammen. Zusätzlich werden in jede zweite Schicht Säcke noch Eisenstangen gehämmert. Für die Ecken und die Türrahmen benutzen wir einen engmaschigen Maschendraht, welcher ganz zum Schluss über die kompletten Bahnen straff gezogen wird. Schliesslich werden die Ecken noch mit Plastikband festgezurrt. Das ergibt eine absolut stabile, sichere Konstruktion. Das ganze Haus, jede Ecke, ist damit sicher miteinander verbunden. Im Falle eines Erdbebens, kann es vielleicht wackeln, jedoch fallen nirgends einzelne Teile heraus, weil alles fest miteinander verbunden und verhakt ist. Das ganze Haus ist flexibel und schwingt mit der Erde mit.

Björn Apostel verlegen von Stacheldraht auf die gestapelten Sandsäcke

Wir haben in diesen Tagen jede Menge gelernt. „Learning by Doing“ ist die Devise. Jeden Abend sind wir hundemüde, aber motiviert und glücklich ins Waisenhaus Ama Ghar zurückgekehrt. Hier haben wir seit einer Woche unser Zelt auf dem Fussballplatz aufgestellt. Jeden Morgen werden wir mit Tee und Keksen verwöhnt. Auf dem Bau wird mittags Dhal Bath serviert, das von der Ehefrau des Hausvaters gebracht wird und gegen Abend gibt's nochmal ein köstliches Mahl. Bevor es eindunkelt wandern wir vom Bau durch eine wunderbare Landschaft Richtung Berge, während so langsam der Mond aufsteigt. Vorbei an Wiesen und Feldern, Flüssen und weidenden Kühen. Beim Betreten der Tore Ama Ghars begrüssen uns schon die Hofhunde bellend und schwanzwedelnd. Wenn wir nicht zu müde sind, singen wir abends noch Lieder mit den Heimkindern, spielen zusammen Basketball auf dem Hof oder schauen lustige indische Filme an. Es fühlt sich an, wie nach Hause zu kommen. Überall wo wir hinkommen, lernen wir Freunde fürs Leben kennen. Und das lässt uns unfassbar reich werden. Für fühlen uns gesegnet. Das ist uns wohl bewusst. Ama Ghar, auch ein Platz, den wir unbedingt erneut besuchen wollen.

Waisenkinder im Weisenhaus Ama Ghar
Das Waisenhaus Ama Ghar in der Nähe von Thaukel

Doch jetzt heisst es erst mal wieder die Rucksäcke packen. Morgen geht‘s ganz früh zunächst nach Kathmandu und dann nach Devighat in Nuwakot. Wir wollen die fertige Schule begutachten, die in der Zwischenzeit fertig gestellt wurde. Wir sind schon ganz kribbelig und müssen natürlich ausgeschlafen sein für die Reise.

Hier geht's zur Fortsetzung...

 

Fotogalerie

Auch wenn wir weiterhin so viele Wellblechhäuser wie möglich zum Schutz gegen den Monsun bauen möchten, können die Menschen nicht auf Dauer in solchen Wellblechhütten leben. Die Familien brauchen wieder neue und vor allem erdbebensichere Häuser. Ein simples und günstiges Prinzip, auf einfachste Weise ein erdbebensicheres Haus zu bauen, besteht darin, Reissäcke mit Erde zu füllen, übereinander zu stapeln, mit Draht zu fixieren und mit Matsch zu verputzen. Das Material dazu ist überall verfügbar und ein solches Haus kann innert einer Woche zu minimalsten Kosten erstellt werden. Zur Zeit bauen wir zwei solcher Häuser in Kathmandu, damit wir die Bauweise demonstrieren und weitervermitteln können.

Grundaufbau für ein Wellblechhaus
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"Earth Bag Buildings" werden bereits sehr erfolgreich in erdbebengefährdeten Gebieten eingesetzt, und können mit einfachsten Mitteln und sehr geringen Kosten erstellt werden. Die Methode wurde von Dr. Owen Geiger entwickelt und bereits in verschiedenen Ländern zum Einsatz gebracht.

Das Development Project Service Center ist eine in Nepal hoch angesehene Organisation, welche in über 50 Bezirken Nepals tätig ist und bei der Umsetzung verschiedener humanitärer Hilfsprogramme in den Berregionen u.a. mit Unterstützung des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen beteiligt ist.

Die Webseite der Ama Foundation, welche das Waisenhaus in Ama Ghar betreut.

Help Nepal now: Björn und Germaid haben einen eigenen Blog eingerichtet, auf dem sie ihre laufenden Berichte veröffentlichen.

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