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Erlebnisbericht der Jugendlichen von Frutigen von ihrem Sozialeinsatz in Bocsa, Rumänien

Sozialeinsatz in Rumänien – 23.7. bis 1.8.2011
von Ramona Jenzer

Endlich ist es soweit. Nach monatelanger Planung und Vorbereitung sowie nach dem Verladen der Hilfsgüter am 19. Juli 2011, machen wir uns als Gruppe Richtung Bocsa in Rumänien auf, voller Spannung, was auf uns zukommen wird.

1500 km Reise nach Rumänien

Samstagmorgen, 23. Juli 2011, vier Uhr. Es ist soweit. Ein Teil der Gruppe des Rumänienprojektes trifft sich auf dem Märitplatz in Frutigen, um bald darauf die 1'500 km lange Reise nach Rumänien unter die Räder zu nehmen. Mit zwei Fahrzeugen für die insgesamt 16 Gruppenmitglieder geht es los. Nach einem Halt in Baar, wo wir ein weiteres Gruppenmitglied aufladen, geht die Fahrt weiter nach Wien. Nach einem lustigen Abend - selbstverständlich mit einem Wienerschnitzel - nächtigen wir in einem Schwesternhaus im Zentrum von Wien und fahren am Sonntagmorgen weiter nach Budapest. Dort stossen weitere Personen zur Gruppe, unter anderem die vier VelofahrerInnen, welche eine Woche mit gespendeten Velos für Rumänien durch die Slowakei und Ungarn der Donau entlang radelten.

Fahrräder werden auf dem Autodach befestigt

Ankunft in Bocsa

Gespannt steigen wir am Sonntagabend, 24. Juli 2011, in Bocsa aus den Autos. Wir treffen auf ein erstaunlich grosses, schönes und sehr sauberes Haus, in dem sich das Kinderzentrum der Osteuropahilfe befindet und welches uns für die kommende Woche Unterkunft bietet. Herzlich wird die Gruppe von den Leitern des Kinderzentrums, Daniela und Eugen Cismaneantu, sowie dem Leiter der Hilfsorganisation Osteuropahilfe, Pater Rolf Schönenberger, empfangen.

Ankunft vor dem Kinderzentrum Bocsa

Verteilen der Hilfsgüter

Am Montag und Dienstag ist das Verteilen der Hilfsgüter, welche in der Schweiz gesammelt wurden, angesagt. Eindrücklich erleben wir, wie dringend nötig die Menschen Sachen aller Art, insbesondere Mobiliar haben. Die Menschen reissen sich um die vorhandenen Güter. Die Armut ist gross. Leider können wir nicht direkt mit ihnen sprechen, da wir des Rumänisch nicht mächtig sind. Aber auch so macht uns die Armut betroffen.

Zwei Männer beim Tragen eines Pultes

Der Spaziergang durch die Magura (Elendsviertel von Bocsa) zeigt uns, wie gross die Armut ist. Fliessendes Wasser und Sanitäreinrichtungen gibt es in den Häusern nicht. Als Toilette benützt man den naheliegenden Wald. Der Fluss kommt trüb und schmutzig daher, umsäumt von Petflaschen, Stofffetzen und anderem, undefinierbarem Abfall. Viele Häuser sind nur notdürftig erstellt und haben Wellblechdächer. Nachdenklich kehren wir in das Kinderzentrum der Osteuropahilfe zurück.

Fluss durch ein vierte von Bocsa

Spiel- und Sportplatz

Selbstverständlich wollen wir uns vor Ort ein Bild des künftigen Spiel- und Sportplatzes machen, für welchen wir auch Geld gesammelt haben. In der ganzen Stadt Bocsa mit rund 17'000 Einwohnern gibt es keine Möglichkeit, z.B. Fussball oder andere Spiele zu spielen. Osteuropahilfe plant zusammen mit einer Jugendgruppe aus Zug sowie dem Leiter des Kinderzentrums in Bocsa einen solchen zu bauen. Die Einweihung ist auf den 15. September 2011 gesetzt und wird bereits überall publiziert. Noch gibt es viel zu tun.

Jugendgruppe und Leiter des Kinderzentrums stehen auf einem Feld

Einblick in ein rumänisches Krankenhaus und ein Altersheim

Die zwei angehenden Pflegefachfrauen der Gruppe haben am Dienstag und Mittwoch die Möglichkeit, ein Rumänisches Krankenhaus in der Nachbarstatt Reçia (gesprochen: Reschitsa) zu besuchen. Betroffen erzählen sie jeweils am Abend über die völlig anderen und ärmlichen Verhältnisse im Krankenhaus.

Altersheim in Resita

Ein paar der Gruppe dürfen dem einzigen Altersheim in Resita und Umgebung einen Besuch abstatten. Der Direktor des Altersheims empfängt uns herzlich und führt uns herum. Das Altersheim ist eher für Wohlhabende. Aber auch dort fehlt das Geld an allen Enden. Deutschstämmige Seniorinnen erzählen aus ihrem Leben und zeigen ihre Zimmer. Leider haben lange nicht alle alten Leute in Bocsa und Umgebung die Möglichkeit, in einem solchen Altersheim zu wohnen.

Caritas Zentrum in Ciacoba

Am Mittwoch besuchen wir ein Caritas Zentrum, welches ein Altersheim, ein Kinderheim, eine Bäckerei, eine Farm, eine Metzgerei und sogar eine Arztpraxis betreibt. Der 87 jährige Leiter des Zentrums ist bestrebt, dass das Zentrum sich selber versorgen kann, was ihm dank Um- und Weitsicht und viel Arbeit gut gelingt. Beeindruckt von der grossartigen Arbeit unter den Menschen vor Ort kehren wir wiederum mit vielen Eindrücken in unsere Unterkunft zurück.

Pulte für Bocsa

In der Nähe des Kinderzentrums steht ein Schulhaus, in welchem die von der Schule Därstetten gespendeten Pulte und Stühle eingesetzt werden. Die Schuldirektorin ist sehr dankbar für die Spende, da die alten Pulte und Stühle ausgedient haben und das Geld für neues Mobiliar fehlt. Wir erhalten eine kurze Führung durch das Gebäude und erfahren hierbei auch, dass die Kinder nur halbtags zur Schule gehen sowie dass lediglich Theorie vermittelt wird, Zeit und Möglichkeiten für Übungen dagegen fehlt. Das Kinderzentrum von Osteuropahilfe springt in die Lücke und ermöglicht lernwilligen Kindern, dass sie den Schulstoff täglich vertiefen können.

Bereitgestellte Pulte und Stühle

Tirol bei Bocsa

Am Donnerstag steht der Besuch bei den drei Ordens-Schwestern im nahe gelegenen Dörflein Tirol an. Ja, Sie lesen richtig. Das kleine Dorf heisst Tirol, da hier ehemals viele Österreicher aus dem Tirol wohnten. Auf dem Weg nach Tirol halten wir kann die Gruppe in einer Schule Pulte besichtigen, die mit dem Transport aus der Schweiz geliefert wurden.

Drei Ordens-Schwestern

In Tirol erhalten wir Einblick in ein weiteres grossartiges Hilfswerk. Drei Ordens-Schwestern aus Deutschland und Österreich leisten seit Jahren wertvolle Arbeit. Im Dorf gibt es praktisch nur Kinder und alte Leute, die die Mittelschicht in Ungarn, Österreich, Italien, Spanien usw. auf der Suche nach Arbeit weilt. Die Schwestern unterrichten die Kinder in Musik und lernen ihnen das Gitarrenspiel. Bald kommen ein paar der Musikerinnen, welche uns in der Dorfkirche ein paar Lieder vortragen. Auch der Religionsunterricht sowie Seniorenanlässe gehören zu den Aufgabenbereichen der drei Schwestern. Zudem macht eine der drei immer wieder Rundgänge im Dorf, um die Menschen mit Medikamenten zu versorgen und sie zu pflegen. Sie leisten eine grosse Arbeit und leben selber sehr bescheiden.

Rumänische Gastfreundschaft

Am Donnerstagabend laden Daniela und Eugen Cismaneantu die ganze Gruppe zu einem feinen Rumänischen Barbecue ein. Selbstverständlich darf das rumänische Nationalgetränk, Tuika (Zwetschgenschnaps, Tsuika gesprochen), nicht fehlen. Pater Rolf Schönenberger und Eugen und Daniela Cismaneantu haben unsern Aufenthalt wunderbar organisiert.

Daniela und Eugen Cismaneantu, P. Rolf Schönenberger mit Jugendgruppe

Timisoara

Um uns ein weiteres Bild des grossen Landes machen zu können, fahren wir am Freitag nach Timisoara, nach Bukarest eine der grössten und wichtigsten Städte Rumäniens, auch kleines Wien genannt. Im Reiseführer lesen wir, dass Timisoara mal eine blühende Stadt war. Wir bestaunen u.a. die grosse orthodoxe Kirche wie auch den Dom und andere interessante Bauten, stellen aber auch hier fest, dass vom einstigen Glanz nicht allzu viel übrig geblieben ist.

Kirche von Timisoara

Orthodoxer Gottesdienst

In Rumänien gehören viele Menschen der orthodoxen Kirche an und viele nehmen auch an den Gottesdiensten teil. So wollten wir es uns nicht entgehen lassen, mal einem orthodoxen Gottesdienst beizuwohnen. Allerdings kamen dann nur ein paar wenige Leute in den Gottesdienst. Die anschliessende Begegnung mit einem orthodoxen Geistlichen war interessant, auch wenn an jenem Ort, wo wir hingingen, immer weniger Menschen am Gemeindeleben teilnehmen.

Orthodoxer Gottesdienst in der Kirche

Beeindruckt und Betroffen

Die vielen verschiedenen Begegnungen und Gespräche mit Rumänen sowie die Armut und die Korruption, die in Rumänien herrscht, macht uns sehr betroffen und stimmt uns nachdenklich. Das grosse Land hat sich von den vielen Jahren unter kommunistischer Herrschaft noch nicht erholt. Viele grosse Felder liegen brach. Die einstige „Kornkammer“ Europas ist nur noch wenig bewirtschaftet. Die 25% Mehrwertsteuer sowie die Lohnabzüge von 65% lasten schwer auf den Menschen und Firmen und nehmen ihnen die Motivation. Aber trotz aller Armut und auch wenn im Gebiet um Bocsa um die 80% arbeitslos sind, begegnen uns die Menschen sehr offen, freundlich und grosszügig, was uns sehr berührt. Beeindruckt sind wir auch über die grosse Arbeit, welche die Mitarbeitenden der Hilfswerke Osteuropahilfe und Caritas sowie die drei Schwestern in Tirol täglich leisten.

Rückreise

Etwas traurig, dass die Woche bereits vorüber ist und mit vielen verschiedenen Eindrücken und Erlebnissen erfüllt, treten wir am 31. Juli 2011 die Heimreise Richtung Schweiz an. Dankbar, dass wir ohne Zwischenfälle und unfallfrei die rund zwanzigstündige Reise bewältigen, treffen wir am Morgen des Schweizer Nationalfeiertages müde in Frutigen ein. Die Woche in Rumänien und das Erlebte wird allen Teilnehmenden der Reise noch lange in Erinnerung bleiben.

Dank

Ein grosser Dank geht an alle, die uns in irgendeiner Form unterstützt haben und ermöglichten, dass der Hilfsgütertransport und die Hilfe für die Menschen in Rumänien zustande gekommen ist. Ohne diese grosse Hilfe und Unterstützung wäre all dies nicht möglich gewesen. Namentlich danken möchten wir, auch im Namen der Menschen in Bocsa und Umgebung, folgenden Donatoren: Reformierte Kirche in Frutigen, Oberstufenschule Frutigen (Beni Meichtry), Frauengruppe Frutigen, Römisch-katholische Kirche Frutigen, Arbeitsgemeinschaft der Kirchen Frutigen, Pfimi Frutigen, Scherz Handels und Verkaufs AG Frutigen, Spar- und Leihkasse Frutigen, Raiffeisenkasse Frutigland, Wandfluh AG Frutigen, Widigarage Frutigen, Autohaus von Känel AG Frutigen, Intersport Zürcher AG Frutigen, Garage Schmid Waldegg AG Frutigen, Mobiliar Generalagentur Spiez, Karl Vögele AG Uznach, Werthmüller & Co. Möbelhaus Frutigen, Papeterie Leutwiler Thun, Trisa AG Triengen, BKW, Peyer AG sowie allen Privatpersonen, welche kleinere und grössere Geld- und Materialspenden für unser Projekt in Rumänien getätigt haben.

Infoabend

Am 29. Oktober 2011, um 19.30 Uhr, werden wir im Kirchgemeindehaus Frutigen über unsere Erfahrungen und unsere Reise inkl. Fotos berichten. Alle sind herzlich eingeladen. Wir freuen uns über zahlreiches Erscheinen. Übrigens haben wir am 13. September 2011 in Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk Osteuropahilfe den vorläufig letzten Hilfsgütertransport nach Bocsa organisiert mit dem restlichen Material, welches wir am 19. Juli 2011 nicht in den Lastwagen einladen konnten (siehe Bericht).

Fotogalerie

Die Armut, die wir auf unserer Reise gesehen haben, hat uns betroffen und nachdenklich gestimmt. Aber wir haben auch viel Schönes erlebt. Die Arbeit der Osteuropahilfe, aber auch der Schwestern in Tirol oder dem Pfarrer der Caritas, die ihr Leben tagtäglich ihr Leben in den Dienst der Armen stellen, hat uns tief beeindruckt.

Jugendliche aus Frutigen mit Mädchen
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Abbildung des Artikel über den Sozialeinsatz in Rumänien
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