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8000 Paar Socken, 700 Decken

Vreni Hilfiker strickt seit zehn Jahren Kleider für Osteuropa – und gibt dem Hobby vieler Seniorinnen einen Sinn.

erschienen in der Aargauer Zeitung
3. März 2021
von Andrea Weibel

Die AZ-Leser kennen die 82-Jährige spätestens seit Weihnachten 2013, als sie den AZ-Chrömli-Backwettbewerb mit ihren Chräbeli gewann. Neben dem Backen ist sie auch eine leidenschaftliche «Lismi-Tante», wie die AZ schon 2011 schrieb. Sie strickt und näht Kinderkleider für einen guten Zweck. Ebenso wichtig wie die Hilfe, die sie für Rumänien leistet, ist aber auch die Hilfe zur Selbsthilfe, die sie mit den Strickarbeiten älteren Frauen aus der Region gibt.

Vreni Hilfiker aus Bünzen schickt seit zehn Jahren gestrickte und genähte Kinderkleider nach Rumänien – und gibt gleichzeitig dem Hobby älterer Frauen einen Sinn.

Schon immer hat Hilfiker versucht, ihrem Leben noch etwas mehr Sinn zu geben. Sie half in Bünzen an verschiedenen Projekten mit. Irgendwann wollte sie auch eines ihrer liebsten Hobbys, die Handarbeit, für soziale Projekte nützen. So kam sie mit dem Hilfswerk Osteuropahilfe in Kontakt. Als die dortige Ansprechpartnerin aus dem Freiamt nach einigen Jahren dann ihr Amt abgeben wollte, stand Vreni Hilfiker bereit.

Sie regt die Senioren geschickt zum Denken an

Seit zehn Jahren strickt und näht sie nicht mehr nur, sondern ist doppelt sozial. «Es gibt viele Frauen, besonders ältere, die sehr gerne stricken oder andere Handarbeiten ausführen. Aber sie haben oft niemanden mehr, dem sie diese schenken können. Es macht traurig, wenn man sich nicht mehr gebraucht fühlt», erzählt sie vom Schicksal vieler älterer Menschen. «Aber wenn ich ihnen Wolle oder Stoff bringe, die sie zu hübschen Kinderkleidern für Bedürftige verarbeiten können, blühen sie oft richtig auf», sagt die rüstige Bünzerin in ihrem Baselbieter Dialekt.

Dabei macht es Vreni Hilfiker ihren Strickerinnen und Näherinnen nicht zu leicht. «Ich bringe ihnen Wolle oder Stoff vorbei. Dabei schaue ich, dass auch Reste darunter sind, die nicht für ein ganzes Paar Socken oder einen Pullover reichen. So müssen die Frauen überlegen, wie sie die Farben kombinieren. Denn die meisten können das noch sehr gut, wenn es nicht anders geht», berichtet sie stolz.

4000 Mützen, Schals und Handschuhe

Unglaublich, aber wahr: In den vergangenen zehn Jahren haben die Frauen rund 8000 Paar Socken, 700 Decken, 480 Kinderpullis sowie 4000 Mützen, Schals und Handschuhe gestrickt. Dazu ungezählte genähte Kinderkleider. All das konnte an verschiedene Kinderheime in Osteuropa geschickt werden.

Sind Schachteln gefüllt, ruft Vreni Hilfiker die Vertretung der Osteuropahilfe in St. Gallen an, die sie abholt und nach Rumänien schickt. Hat sie die Leute schon einmal besucht, für die sie all die Kleider strickt und stricken lässt? «Nein», antwortet sie. «Früher strickte ich auch für Menschen in Polen. Aber in beiden Ländern war ich noch nie.» 

Hilfiker sucht Wollreste und Baumwollstoffe

Immer wieder erhält Hilfiker Wolle und Stoff geschenkt. Dabei konnte auch die AZ schon behilflich sein. «Als die Artikel über meine Chräbeli in der Zeitung waren, erhielt ich von überall her Zuschriften. Dabei entstanden schöne Freundschaften. Eine neue Freundin kannte eine Ladenbesitzerin, die ihren Laden zumachen musste. Von ihr erhielt ich über 1000 Strang Wolle und Knöpfe.» Mittlerweile ist davon nicht mehr viel übrig, die Wolle ist fast ganz verstrickt. «Falls jemand Wollreste oder schöne Baumwollstoffe daheim hat, die sie oder er nicht mehr braucht, nehmen wir die gerne.» Erreichen kann man sie unter 056 666 17 44.

Ausserdem ist sie langsam auf der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger. «Immer wieder denke ich darüber nach, mein Amt abzugeben. Das Austragen der Wolle und Sammeln der fertigen Stücke braucht Zeit.» Früher waren es über 20 Lismerinnen, heute acht bis neun. «Ich bin auch nicht mehr so gut zu Fuss. Als ich letztens fast über eine Kiste mit Kinderkleidern gestolpert wäre, fand ich, dass das eigentlich der richtige Moment wäre, um aufzuhören. » Das heisst aber auf keinen Fall, dass sie deswegen die Lismete weglegen würde.

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