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Hilfsgüter Verteilung in Alam Dala 6 in der Region Nuwakot, Nepal

11. Mai 2015 – Einsatzbericht von Björn Apostel und Germaid Ponge

"Das Glück ist das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt."
Albert Schweitzer

Zur Genüge durften wir die Wahrheit dieses Zitats erleben, bei unserer letzten Hilfsgüteraktion in den Bergen von Nuwakot. Unser Ziel war ein Dorf mit dem Namen Alam Dala 6 (Es gibt insgesamt 9 Dörfer mit dem Namen Alam Dala in der Region). Nach zwei Tagen der Planung und Organisation hatten wir am Morgen des 11. Mai einen Pickup mit 300 Zeltplanen beladen in Kathmandu stehen. Die grösste Schwierigkeit bestand darin, die Zeltplanen überhaupt zu beschaffen. In unserer Nachbarschaft Thamel werden die Zeltplanen zu Wucherpreisen verkauft, teilweise für 20 EUR das Stück (360cm x 450cm). In Indien bekommt man eine bessere Qualität für etwas über 5 EUR das Stück. Irgendwie mussten die letzten Rupien zusammenkratzen, da wir 300 Familien versorgen wollten, die ihr Dach über dem Kopf verloren haben. Schliesslich haben wir die Zeltplanen von drei verschiedenen Händlern erstanden. Die letzten Planen haben wir am Morgen der Tour erhalten. Auf dem Weg in die Berge haben wir am Strassenrand noch einige weitere Zeltplanen erworben. Das ist Nepal! Wir müssen schnell und flexibel denken und handeln dieser Tage. Feste Pläne halten hier vielleicht eine halbe Stunde.

Zeltplanen werden zusammengetragen

Nahrungsmittel für 300 Familien

Unser erstes Ziel, die Stadt Devighat, die wir vor drei Tagen bereits besucht hatten. Hier warteten unsere einheimische Kontaktperson Hanuman und zwei grosse Lastwagenladungen mit Nahrungsmitteln bereits auf uns. Dank Hanuman haben wir für die Lebensmittel einen einzigartigen Rabatt bekommen, den man nur aushandeln kann, wenn man mit Einheimischen zusammen arbeitet. Indem wir die Lebensmittel vor Ort und nicht in Kathmandu kaufen, können wir die Händler in der Bergregion unterstützen.

Unsere Einkaufsliste bestand aus:
300 Sack Reis à 30 kg
24 Sack weisse Bohnen à 30 kg
300 Pakete Öl à 1 Liter
300 Pakete Salz à 1 kg
zu einem Preis von umgerechnet ca. 3'870 Euro. Sowie 300 Zeltplanen zu einem Preis von 2'700 Euro.

Zeltplanen bereit zum Verladen

In Devighat wartete zudem ein spanisches Filmteam auf uns, welches unsere Hilfsgüteraktion begleiteten wollten. Sie machen einen Dokumentarfilm über die Arbeit freiwilliger Volontäre in Nepal und unsere Arbeit wird Teil der Dokumentation sein. Am Vormittag hatten sie bereits Zeit in das betroffene Dorf zu fahren und Bildmaterial aufzunehmen. Nun folgten weitere Interviews mit Hanuman und Björn zu der Hilfsaktion und über unsere weiteren Vorhaben. Gegen 14 Uhr waren wir dann endlich soweit, uns auf den Weg in die Berge zu machen. Unser Team von sechs Helfern, Hanuman und vielen weiteren Einheimischen machte sich auf den Weg, entweder auf der Ladung der Trucks oder auf Motorrädern nebenher. Der Schotterweg nach Alam Dala 6 war dieses Mal nicht so lang, wie nach Dhadakharka, unserem letzten Ziel, doch mindestens genauso steil und unwegsam. Zudem zogen bereits am frühen Nachmittag Regenwolken über den Bergen herauf. Wenn es zu regnen angefangen hätte, wäre es unmöglich gewesen, mit den Trucks weiter zu fahren, geschweige denn nach der Aktion wieder zurück an unseren Basisort Devighat zu gelangen. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit. Die dunkle Wolkenwand über den Bergen drohte uns einen Strich durch die Rechnung zu machen. Wir riskierten die Weiterfahrt die steilen Serpentinen herauf und ohne weitere grossen Hindernisse gelangten wir nach Alam Dala 6.

Dorfbewohner laufen Laster entgegen

Verteilung der Hilfsgüter in Alam Dala 6

Es handelt sich um ein zweigeteiltes Dorf. Oben auf der Bergspitze wohnen 150 Familien aus der untersten Kaste, ein paar hundert Meter bergab leben weitere 150 Familien einer höheren Kaste. Wir begannen mit der Verteilung im oberen Teil des Dorfes. Hier hat es die Menschen wirklich am härtesten getroffen. Der Grad der Zerstörung ist schockierend. 100 % der Gebäude sind restlos zerstört. Saatgut und Nahrungsvorräte liegen begraben unter den Trümmern der Behausungen. Doch als wir das Dorf erreichten, war es nicht die niederschmetternde Zerstörung, die uns begrüsste, sondern über 1‘000 freudestrahlende Menschen, die uns mit Blumenkränzen entgegen rannten. Jeder von uns bekam einen Blumenkranz von einem Kind umgelegt und wir wurden mit roter Farbe auf unserer Stirn gesegnet. Jubelnde Menschen soweit das Auge reichte, die auf den Trümmern vor Freude über unsere Ankunft tanzten. Das hatten wir nicht erwarten. Die Regenwolken waren vergessen und wir starteten sofort unsere Arbeit.

Bewohner empfangen Helfer mit Blumenkränzen

Therese, unsere Krankenschwester, schlug ihr Lager in der Mitte des Dorfplatzes auf damit die Verletzten zu ihr kommen konnten. Thea und Germaid verteilten einen Proteindrink mit Schokoladengeschmack an alle Kinder. Björn und der Rest der Männer entluden den Truck. Wir teilten die 24 Sack Bohnen in kleinere Tüten auf, damit jede Familie 2 kg Bohnen erhalten konnte. Wir bildeten eine Kette dafür und hatten dank der guten Teamarbeit in kürzester Zeit 300 Tüten mit Bohnen, Salz, Öl und Kerzen gepackt. In der Zwischenzeit reihten sich die Bewohner auf dem Dorfplatz auf.

Krankenschwester Therese hilft alter Frau

Hanuman hatte in den letzten zwei Tagen eine Liste mit den Namen aller Familien erstellt und Coupons an jede Familie mit Namen und Stempel verteilt. So konnten wir sicher stellen, dass wirklich jede Familie Hilfe erhält. Die Aktion war vorbildlich und professionell organisiert und so konnten wir in kürzester Zeit den oberen Teil des Dorfes versorgen. Jede Familie erhielt einen Sack Reis, Bohnen, Salz, Öl, Kerzen und eine Zeltplane. Freude und Glück strahlten aus den Gesichtern der Menschen, als sie die Güter entgegennahmen. Lachende und jubelnde Kinder rannten um uns herum und hielten uns an den Händen.

So viele kleine Wunder sind uns an diesem Tag begegnet. Beim Gang durch die Trümmer des Dorfes wurden wir von einer Familie zum Tee eingeladen. Unter einem kleinen Unterstand aus Holz und Stroh lag eine Frau, neben ihr ein neugeborenes Kind, welches gerade mal einen Tag alt war. Zwischen all der Zerstörung hat sie am Tag zuvor ihren Sohn geboren, die Hoffnung des neuen Lebens, zwischen all dem Leid.

Frau mit neugeborenem Kind

Bisher keine Katastrophenhilfe der nepalesischen Regierung für die abgelegenen Bergdörfer

Nach einigen Stunden verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Weg zum unteren Teil des Dorfes. Auch dort standen die Menschen bereits aufgereiht und der gleiche Prozess der Verteilung und der medizinischen Versorgung wiederholte sich.

Erster in der Reihe war der Dorfälteste, ein kleiner, faltiger Mann von 91 Jahren, der mit Tränen in den Augen die ersten Güter entgegennahm. Ein Trupp des nepalesischen Militärs stand um uns herum, bewunderte unsere Aktion und die Soldaten nahmen Fotos von uns auf. Björn fragte einen Soldaten, wo denn die Hilfe der nepalesischen Regierung bliebe. Der Soldat meinte bedauernd, dass es auch ihn betrübt, all das Elend zu sehen ohne dass Hilfe seitens der Regierung hierher gelangt. Sie wurden aus verschiedenen Teilen Nepals lediglich hierher stationiert, um "für Ordnung zu sorgen". Einfluss darauf, dass humanitäre Hilfe geleistet wird, haben sie jedoch nicht.

Dorfältester nimmt die ersten Güter entgegen

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit waren wir mit unserer Verteilungsaktion fertig. Nach einem kurzen Abendessen fuhren wir mit dem leeren Pickup die Serpentinen wieder hinunter, als ein leichter Nieselregen begann. Die ganze Zeit über hingen die dunklen Wolken bedrohlich über uns, doch erst auf dem Heimweg fing es dann schliesslich an zu regnen. Ein Lächeln stand auf all unseren Gesichtern als wir durch die Dunkelheit am Abgrund entlang sausten, weil wir wussten, dass 300 Familien nun unter einer Zeltplane im Trockenen sitzen konnte. Das war allerdings nicht das einzige Wunder, das wir an diesem Tag erlebten. Therese hatte vor unserer Abfahrt von dem spanischen Filmteam Utensilien bekommen, um einen Gipsverband anzulegen. Tatsächlich kam eine Frau zu ihr, die einen Bruch am Handgelenk hatte, der bisher nicht behandelt wurde. Nun konnte sie die Utensilien nutzen, um der Frau einen Gips anzulegen. Ebenso hat Therese unter den Spenden, die in unserem Guesthouse gesammelt werden, eine grosse Packung Augentropfen gefunden. Und als ob es die Vorsehung so eingerichtet hätte, kamen am heutigen Tag sehr viele Menschen mit Augenproblemen zu ihr. Der Schokotrunk hat bis auf den letzten Tropfen für jedes einzelne Kind ausgereicht und am Ende haben wir unsere allerletzte Zeltplane an die letzte Familie überreichen können.

Krankenschwester beim verbindet den Arm einer alten Frau

Wir sassen auf dem Pickup, unsere Herzen erfüllt von all dem Glück und der Liebe, die wir heute geteilt und die wir hundertfach zurück erhalten hatten, von den über 2‘000 Menschen aus Alam Dala 6. Die strahlenden Gesichter bleiben für immer in unserer Erinnerung. Und als der Mond durch die Wolken brach, sahen wir uns an und wussten nicht, ob es der Regen oder Tränen der Freude waren, die uns die Wangen herabrollten. Es war ein guter Tag!

Bewohner bedanken sich

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Fotogalerie

Eines der vielen hundert Dörfer, das in der Region rund um Kathmandu durch das grosse Erdbeben vom 25. März komplett zerstört wurde, ist Alam Dala 6. Unser Team, dass seit zwei Wochen Hilfsgüter, Zelte, Nahrung und medizinische Hife in diese Dörfer bringt hat bisher weder eine der grossen Hilfsorganisationen, noch Hilfsgüterlieferungen der Regierung gesehen, welche den Menschen in ihrer existentiellen Not zur Hilfe kommen. Björn Apostel, unser Koordinator vor Ort, braucht dringend finanzielle Unterstützung, damit er Zeltplanen, Lebensmittel und Medikamente für die Menschen, die alles verloren haben, organisieren und verteilen kann.

Zeltplanen transportbereit
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